Eine würdige Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Reichspogromnacht vom 9. November 1938 und an die Opfer des Nationalsozialismus wurde am gestrigen Montag, 10. November, in der Protestantischen Stadtkirche sowie der Ruine der Synagoge durchgeführt. Veranstalter waren die christlichen Kirchen in Homburg, das städtische Kinder- und Jugendbüro und das Stadtarchiv. Beteiligt waren auch der Chor der städtischen Musikschule unter Leitung von Carola Ulrich, Schülerinnen und Schüler der AG „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ des Saarpfalz-Gymnasiums (SPG) sowie Konfirmandinnen und Konfirmanden der protestantischen Kirchengemeinden Homburg.
Durch die Veranstaltung führte Pfarrerin Petra Scheidhauer. Hauptrednerin war Joanna Bergin, die Tochter der in Homburg geborenen Übersetzerin und Schriftstellerin Edith Aron. Joanna Bergin berichtete über einige Lebensstationen ihrer Mutter und trug eine Kurzgeschichte und das Gedicht „What is a refugee“ von Edith Aron vor. Beim Abschluss in der Ruine der Synagoge nach einem Schweigegang von der Stadtkirche sprach die ehrenamtliche Beigeordnete für Jugend, Nachhaltigkeit und Tierschutz, Nathalie Kroj.
Den Auftakt in das Gedenken, mit dem an das schlimme Geschehen der Reichs-pogromnacht erinnert wurde, als in ganz Deutschland und auch in Homburg Synagogen geschändet, Wohnungen und Geschäfte jüdischer Bürgerinnen und Bürger verwüstet und in Brand gesteckt wurden, machte der Chor der Musikschule. Dann begrüßte Pfarrerin Petra Scheidhauer die zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Stadtkirche und dankte ihnen für ihre Teilnahme. Sie hob hervor, dass Erinnerung lebensnotwendig sei und es gerade angesichts kaum noch lebender Zeitzeugen wichtig sei, Tag für Tag an die schlimmen Ereignisse zu erinnern und zu mahnen.
Anschließend kündigte sie die Schülerinnen und Schüler der AG „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ des SPG, eine Gruppe von Konfirmandinnen und Konfirmanden der protestantischen Kirchengemeinden Homburg sowie Joanna Bergin an und betonte, dass es eine Ehre sei, sie zu Gast zu haben.
Die Schülerinnen und Schüler des SPG gingen besonders auf die vielfältigen Formen des Antisemitismus ein und erläuterten, dass antisemitische Vorfälle in Deutschland seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 stark zugenommen hätten. Sie machten dabei auch deutlich, dass ein politischer Konflikt niemals Hass auf eine bestimmte Gruppe von Menschen rechtfertige. Anhand mehrerer Beispiele schilderten sie, wie verbreitet Antisemitismus sei und Angst wieder zum Alltag jüdischer Menschen in Deutschland gehöre. Die Schülerinnen und Schüler forderten dazu auf, nicht wegzusehen, sondern etwas zu sagen und einzugreifen, wenn Formen von Antisemitismus aufträten.
Auch Joanna Bergin hob hervor, wie wichtig es sei, sich dafür einzusetzen, dass sich die schlimmen Ereignisse der Reichspogromnacht sowie in der Zeit danach nicht wiederholen könnten. Zunächst hatte sie gesagt, dass es eine große Freude für sie sei, in Homburg zu sein und sich für die Einladung bedankt. Sie berichtete auch, dass ihre Mutter Edith Aron, die im März 1935 mit ihrer Mutter nach Argentinien ausgereist war, hin- und hergerissen war in Bezug darauf, wo ihre Heimat lag, ob in Argentinien oder in Homburg. Andererseits meinte sie, dass ihre Mutter vermutlich nicht überlebt hätte, wäre sie in Deutschland geblieben.
Sie selbst sei bei ihrem Besuch in Homburg vor zwei Jahren sehr bewegt gewesen und habe eine Verbindung zu Homburg gespürt, sagte Joanna Bergin, besonders als sie das frühere Haus ihrer Eltern in der Oberen Allee 29 besuchen konnte. Da sie in ihrem Leben schon viel gereist sei, habe sie bemerkt, dass es möglich sei, zu lernen, wie man zusammenleben könne und tolerant gegenüber Mitmenschen zu sein. Sie betonte auch, dass wir Menschen einander viel ähnlicher sind als wir uns unterscheiden. „Gemeinsam sind wir stärker“, lautete ihre Botschaft.
Anschließend gingen die Konfirmandinnen und Konfirmanden der evangelischen Gemeinden mit zahlreichen Hinweisen und Schilderungen darauf ein, wie es in Homburg sein könnte, wenn es eine jüdische Gemeinde gäbe. So schilderten sie, wie das Homburger Stadtbild in der Innenstadt von den beiden Kirchen und der Synagoge geprägt sei, wie sie Freundinnen und Freunde bei jüdischen Festen besuchten, spezielle jüdische Gerichte genießen könnten oder in von jüdischen Familien betriebenen Geschäften einkaufen würden. Dargestellt wurde, wie die Vielfalt und Buntheit der Stadt bereichert würde, wenn es in Homburg eine jüdische Gemeinde gäbe.
Zwischen den einzelnen Beiträgen trat der Chor mit seinem stimmungsvollen und beeindruckenden Gesang unter Leitung von Carola Ulrich auf. Nach ihrem Schlusswort lud Pfarrerin Scheidhauer die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem Schweigegang zur ehemaligen Synagoge ein. Dort bedankte sich die ehrenamtliche Beigeordnete Nathalie Kroj bei allen Organisatoren und den Teilnehmenden auch im Namen von Oberbürgermeister Michael Forster.
Sie sagte: „Wir sind zusammengekommen, um ein Zeichen gegen menschenverachtendes Gedankengut und Handeln zu setzen. Wir werden nicht müde, dieses Gedenken zu wiederholen: Generation für Generation – Jahr für Jahr.“ Weiter erinnerte sie, dass mit und nach der Reichspogromnacht in ganz Europa und auch in Homburg menschliches Leben ausgelöscht wurde und diese Menschen keine Chance bekamen, ihr Leben zu leben, zu lieben, zu lernen und sich auszuprobieren, während wir dieses Privileg hätten und uns dieses bewusst machen sollten, denn auch heute gäbe es Orte in der Welt, wo Menschen geopfert würden und Hass und Gewalt herrsche.
Weiter sagte Nathalie Kroj, dass dieses Gedenken jedes Jahr aufs Neue auch ein Startschuss dafür sein könne, für Freiheit und ein respektvolles Miteinander anzustehen. „Dazu gehört das Erinnern gleichermaßen wie das Vertrauen in die Unterschiedlichkeit und Vielfalt unserer Mitmenschen“, so die Beigeordnete.
Nach dem gemeinsam gesungenen Lied „Hevenu schalom alejchem“ endete die Gedenkveranstaltung, an der auch mehrere Gäste jüdischer Familien aus Straßburg und Saargemünd teilnahmen, für deren Vorfahren im vergangenen Jahr Stolpersteine verlegt worden waren.
Das Gedenken zum 9. November in der Stadtkirche war sehr gut besucht. In der vorderen Reihe sitzen Pfarrerin Petra Scheidhauer, Joanna Bergin und Petra Simon (v. l. n. r.), oben auf der Empore ist der Chor der Musikschule zu sehen.
Als Vertreterin von Oberbürgermeister Michael Forster bedankte sich die Beigeordnete Nathalie Kroj in der Synagogenruine bei allen Beteiligten für das Zeichen gegen menschenverachtendes Gedankengut und Handeln.
Zum Abschluss der Gedenkveranstaltung versammelten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Ruine der Synagoge.